Es sei denn, der Konjunktiv wäre doch nicht so kompliziert

Der Konjunktiv ist einer von drei Verbmodi im Deutschen. Es gibt zwei Formen (Konjunktiv I und Konjunktiv II), die unterschiedlich gebildet werden. Außerdem gibt es in jeder der beiden Formen die Tempora Präsens (Gegenwart), Perfekt (Vergangenheit) und Futur (Zukunft).

Auch bekannt als Möglichkeitsform wird der Konjunktiv dafür verwendet, Vermutungen oder Wunschszenarien auszudrücken. Der Konjunktiv I führt aus, was als möglich gilt und kommt meist in der indirekten Rede zum Einsatz, während der Konjunktiv II für hypothetische Annahmen und höchst unwahrscheinliche oder unmögliche Sachverhalte verwendet wird. Diese Form finden wir oft in Konditionalsätzen.


Was sind die Formen Konjunktiv I und
Konjunktiv II?

Der Konjunktiv. Ich weiß, es gibt keinen packenden Einstieg für das trockenste aller trockenen Grammatikthemen. Dabei finde ich, der Konjunktiv ist absolut nicht so unangenehm wie sein Ruf. Die Verbformen sind richtig angewandt sogar sehr hilfreich und haben ihre Daseinsberechtigung.

Zugegebenermaßen ist die Bildung ein wenig eigenwillig und die genaue Verwendung bedarf etwas Klärung, aber dafür haben wir ja jetzt diesen Blogartikel. Gott sei Dank!

Und da ist auch schon unser erstes Beispiel: sei. Hier handelt es sich um den Konjunktiv I von sein. Richtig, es gibt zwei Konjunktivformen für jedes Verb (Tätigkeitswort). Der Konjunktiv II von sein ist wäre.

Vorab muss ich noch darauf hinweisen, dass der Konjunktiv keine Zeitform (Tempus) des Verbs ist – auch wenn er fälschlicherweise oft so eingeordnet wird. Vielmehr handelt es sich um einen der drei Modi des Verbs. Neben dem Imperativ (der Befehlsform) und dem Indikativ (der Wirklichkeitsform) gibt es den Konjunktiv (die Möglichkeitsform). Innerhalb des Modus Konjunktiv lassen sich dann entsprechend verschiedene Zeiten bilden und es kann zwischen einer Aktiv- und einer Passivform unterschieden werden.

Wie bilde ich den Konjunktiv? Widmen wir uns zunächst der Bildung des Konjunktivs. Da wir Verbformen haben, erfolgt die Beugung wie die der Konjugation im Indikativ, also nach Person und Anzahl (Numerus).


Die Bildung des Konjunktiv I

Endung spielen sprechen sein
-e ich spiele ich spreche ich sei
-est du spielest du sprechest du seiest (seist)
-e er/sie/es spiele er/sie/es spreche er/sie/es sei
-en wir spielen wir sprechen wir seien
-et ihr spielet ihr sprechet ihr seiet
-en sie spielen sie sprechen sie seien

Wir sehen, dass die erste Person Singular („ich“), die erste Person Plural („wir“) sowie die dritte Person Plural („sie“) dieselben Formen wie im Indikativ haben. Zudem unterscheiden sich teilweise die beiden zweiten Personen nur durch ein zusätzliches „-e-“ von ihrer jeweiligen Indikativform und die erste Person Singular entspricht im Konjunktiv der der dritten Person Singular („er/sie/es“).

Es gibt keine unregelmäßigen Formen außer sei von sein.

Für die Bildung von Vergangenheit und Zukunft im Konjunktiv I benötigen wir folgende Formen, das Partizip sowie den Infinitiv des Vollverbs. Werden kann zudem auch für die Passivform verwendet werden.

haben (+ Partizip wie gespielt) werden (+ Infinitiv wie spielen)
ich habe ich werde
du habest du werdest
er/sie/es habe er/sie/es werde
wir haben wir werden
ihr habet ihr werdet
sie haben sie werden

Die Bildung des Konjunktiv II

Endung spielen sprechen sein
-e ich spielte ich spräche ich wäre
-est du spieltest du sprächest du wärest (wärst)
-e er/sie/es spielte er/sie/es spräche er/sie/es wäre
-en wir spielten wir sprächen wir wären
-et ihr spieltet ihr sprächet ihr wäret
-en sie spielten sie sprächen sie wären

Im Konjunktiv II finden wir dieselben Personalendungen in der Konjugation. Allerdings werden diese Suffixe (Endsilben) nicht an den Infinitiv gehängt, sondern an den Stamm der einfachen Vergangenheit (des Präteritums). Das führt dazu, dass bei regelmäßigen Verben die Konjugation im Indikativ Präteritum dieselbe ist wie die im Konjunktiv II der Gegenwart.

Ich mache (Indikativ Präsens)
→ Ich machte (Indikativ Präteritum & Konjunktiv II)
Wir sagen (Indikativ Präsens)
→ Wir sagten (Indikativ Präteritum & Konjunktiv II)

Bei den unregelmäßigen Verben führt dies allerdings zu unterschiedlichen Formen durch die Endung sowie zu einem standardmäßigen Vokalwechsel.

Ich fliege (Indikativ Präsens)
→ Ich flog (Indikativ Präteritum) / Ich flöge (Konjunktiv II)
Wir trinken (Indikativ Präsens)
→ Wir tranken (Indikativ Präteritum) / Wir tränken (Konjunktiv II)

Grundsätzlich gilt, dass alle Verben, die im Präteritum unregelmäßig sind, auch eine unregelmäßige Konjugation im Konjunktiv aufweisen. Um genau zu wissen, ob ich eine Verbform korrekt konjugiert habe, schlage ich diese nicht mühselig nach. Ich verlasse mich lieber auf LanguageTool – meinen intelligenten Schreibassistenten. Wenn es eine Form nämlich nicht gibt, unterstreicht er mir den Fehler und zeigt die korrekte Lösung an. Und auch im Hinblick auf Zeichensetzung und Sprachstil unterstützt mich das Tool zuverlässig beim Schreiben.

Dadurch, dass es den Konjunktiv schon länger gibt als die heutigen Vergangenheitsformen mancher Verben, existieren bei einigen Verben mehrere mögliche Konjunktiv-II-Formen.

Ich stehe (Indikativ Präsens)
→ Ich stand (Indikativ Präteritum) / Ich stände (Konjunktiv II),
aber auch: Ich stünde (Konjunktiv II)
Wir helfen (Indikativ Präsens)
→ Wir halfen (Indikativ Präteritum) / Wir hälfen (Konjunktiv II),
aber auch: Wir hülfen (Konjunktiv II)

Haben und werden helfen uns wieder mit ihren Konjunktiv-II-Formen für die Bildung von Vergangenheit, Zukunft und Passiv.

haben (+ Partizip wie gespielt) werden (+ Infinitiv wie spielen)
ich hätte ich würde
du hättest du würdest
er/sie/es hätte er/sie/es würde
wir hätten wir würden
ihr hättet ihr würdet
sie hätten sie würden

Wann verwende ich den Konjunktiv?

Kommen wir nun zur nächsten Frage: Wann wird der Konjunktiv benutzt? Beide Konjunktivformen haben gemein, dass sie eine Möglichkeit darstellen, aber nicht die Wirklichkeit. Dafür haben wir den Modus Indikativ.


Die Verwendung des Konjunktiv I

1) Indirekte Rede

Den Konjunktiv I finden wir zum einen in der indirekten Rede. Wenn wir also etwas wiedergeben, was nicht unsere Worte sind und wir auf wörtliche Rede verzichten, zeigt der Konjunktiv I an, dass wir der Text im Konjunktiv nicht von uns stammt.

Ich bin mir sicher, dass er die Matheaufgabe nicht lösen kann.
Er war sich nicht sicher, ob er die Matheaufgabe lösen könne.

Während in der ersten Aussage die Wörter der sprechenden Person wiedergegeben werden, wird im zweiten Satz betont, dass es sich um die Wortwahl einer anderen Person handelt.

Bestimmt ist Ihnen diese Verwendung der indirekten Rede schon bei der Tagesschau aufgefallen:

Wir finden Beispiele für den Konjunktiv bei 4:47 („habe … gegeben“) und bei 5:05 („verstehe“).

Ein Grund für die Betonung der indirekten Rede kann sein, dass wir als bezeugende Gruppe den Wahrheitsgehalt einer Aussage nicht wissen können oder wollen. Wir distanzieren uns somit vom Gesagten und zeigen Zweifel.

Er beherrscht die deutsche Rechtschreibung tadellos.
Er behauptete, dass er die deutsche Rechtschreibung tadellos beherrsche.

Bei den Personen ich, wir und sie/Sie wird auf andere Formen zurückgegriffen. Näheres dazu gibt es im letzten Abschnitt dieses Artikels.

2) Wünsche und Floskeln

Zum anderen kann der Konjunktiv I einen Wunsch des Sprechenden ausdrücken. Dabei benötigen wir keinen Einleitungssatz wie in der indirekten Rede, sondern lediglich einen einfachen Hauptsatz.

Lang lebe die Königin.
Friede sei mit dir!

Diese Wunschformeln sind meist idiomatisiert und kommen ebenso in Gesprächsfloskeln wie Gott sei Dank oder es sei denn vor.


Die Benutzung des Konjunktiv II

Im Vergleich zum Konjunktiv I sind Sachverhalte im Konjunktiv II nicht (mehr) möglich oder zumindest sehr unwahrscheinlich. Wir finden diese hypothetischen Szenarien in Konditionalsätzen (Nebensätzen mit wenn).

Wenn sie jetzt noch gewännen/gewönnen, sähen wir ein Wunder.
Wenn ich du wäre, machte ich mir Gedanken über die Finanzen.
Wenn ich den Zug noch bekommen hätte, hätten wir pünktlich mit dem Meeting anfangen können.

Während die erste Situation höchst unwahrscheinlich erscheint, ist das Eintreten des zweiten Sachverhalts schlichtweg nicht möglich – wir sprechen von einem Irrealis –, während das dritte Beispiel in der Vergangenheit liegt und nicht mehr möglich ist.

Auch in anderen Satzkonstruktionen stellt der Konjunktiv II heraus, dass etwas denkbar wäre, aber nicht möglich oder wahrscheinlich ist.

Keine Person ist so schlau, als dass sie alles könnte.
Ach, erklärtest du es mir doch endlich!
Keiner verstand mich und es war, als ob ich eine andere Sprache spräche.

Ihnen könnte aufgefallen sein, dass der Konjunktiv II in seiner Bildung derart komplex ist, dass die würde-Ersatzkonstruktion in der Standardsprache seinen Platz einzunehmen scheint. Vergleichen Sie:

Mir ist so, als gäbe es kein Glück mehr.
Mir ist so, als würde es kein Glück mehr geben.
Übrigens

Der Konjunktiv II wird darüber hinaus als Höflichkeitsform eingesetzt. Besonders bei Modalverben wirken sollte, könnte und hätte stilistisch freundlicher als soll, kann oder hat.

  • Sollten wir uns Gedanken machen?
  • Könnten Sie mir sagen, wie spät es ist?
  • Hättest du noch einen Moment, bitte?

Bei einigen Textformaten sollte aber auf Konjunktivformen verzichtet werden, um bestimmter und selbstsicherer zu klingen.


Beispiele für die Verwendung des Konjunktivs

Bei zwei Beispielen des Konjunktivs lohnt es sich, noch etwas detaillierter auf die Bildung und Verwendung zu sehen.


Was ist mit dem Konjunktiv III (würde-Form) gemeint?

Wie zuvor erwähnt, ist die würde-Form gerade dabei, den Konjunktiv II zu ersetzen. Dabei gibt es einen legitimen Fall, in dem wir würde + Infinitiv in der indirekten Rede korrekt benutzen. Daher wird die Ersatzform teilweise scherzhaft „Konjunktiv 3“ genannt. Gehen Sie wie folgt vor:

  • Verwenden Sie den Konjunktiv I: Die zweite und dritte Person Singular (du und er/sie/es) sowie die zweite Person Plural (ihr) unterscheiden sich; daher können wir diese benutzen.
  • Verwenden Sie den Konjunktiv II: Die erste Person Singular (ich) sowie die erste und dritte Person Plural (wir und sie/Sie) unterscheiden sich bei unregelmäßigen Verben so sehr, dass wir diese getrost benutzen können.
  • Die würde-Form kommt bei den Personen ich, wir und sie (Sie) zum Einsatz, wenn die Konjugation regelmäßig verläuft (schwache Verben).

Nach traditioneller Grammatik wird in folgenden Beispielen also immer der Konjunktiv II verwendet, wenn er sich genug vom Indikativ unterscheidet. Allerdings können aus moderner Sicht ebenfalls alle dieser Formen durch würde + Infinitiv ersetzt werden.

Die Person sagte, …

  • ich würde zu viel quatschen und ich hätte keinen Anstand.
  • du quatschest zu viel und du habest keinen Anstand.
  • er/sie/es quatsche zu viel und habe keinen Anstand.
  • wir würden zu viel quatschen und hätten keinen Anstand.
  • ihr quatschet zu viel und habet keinen Anstand.
  • sie würden zu viel quatschen und hätten keinen Anstand.

Bei Aussagen, die als allgemeingültig gelten, wählen wir den Indikativ und bei größeren Zweifeln unsererseits benutzen wir in jedem Fall direkt den Konjunktiv II.

Alle sagen, Wasser kocht bei 100 °C.
Ich glaube nicht, dass die Schülerin viel gelernt hätte.  

Was passiert bei Vor- und Nachzeitigkeiten in Konjunktivsätzen?

Erinnern Sie sich an die Konjugationen der Hilfsverben sein/haben und werden? Diese helfen uns dabei, auch im Konjunktiv Vorzeitigkeit oder Nachzeitigkeit auszudrücken.

Neuen Studien zufolge sei jeder dritte Deutsche gefährdet.
Neuen Studien zufolge sei jeder dritte Deutsche gefährdet gewesen.
Neuen Studien zufolge werde jeder dritte Deutsche gefährdet sein.

Der erste Satz bezieht sich auf die Gegenwart des Hauptsatzes, während der zweite Satz eine Vorzeitigkeit ausdrückt. Das dritte Beispiel wiederum nimmt auf einen späteren Zeitpunkt als den Erzählzeitpunkt des Hauptsatzes Bezug. Doch diese Zeitenfolge ist ebenfalls im Konjunktiv II möglich:

Es scheint fast so, als gäbe es kein Leid mehr.
Es scheint fast so, als hätte es kein Leid mehr gegeben.
Es scheint fast so, als würde es kein Leid mehr geben.

Dasselbe Zeitengefüge sehen wir in Konditionalsätzen. Konditional I benutzt keinen Konjunktiv, da die Bedingung möglich und eventuell wahrscheinlich ist.

Sofern du noch Zeit hast, komm uns doch mal besuchen.

Im Konditional II hingegen verwenden wir den Konjunktiv II, um die Unwahrscheinlichkeit und den unrealistischen Charakter der Bedingung herauszustellen.

Falls er keine Zeit hätte, käme er doch nicht so oft zu Besuch.
Falls er keine Zeit haben würde, würde er doch nicht so oft zu Besuch kommen.

Im Konditionalsatz III hingegen verwenden wir die Vergangenheitsform des Konjunktivs II. Hierbei müssen wir beachten, dass die Bedingung nicht mehr erfüllt werden kann, da die Handlung in der Vergangenheit liegt und nur ausgedrückt werden soll, was hätte passieren können.

Wenn sie gestern zu Besuch gekommen wäre, hätten wir sie alle kennenlernen können.

Sie sehen also, mit dem deutschen Konjunktiv ist es halb so wild. Bei genauerer Betrachtung begegnet uns die Möglichkeitsform in vielen Bereichen des alltäglichen Lebens:

  • In Rezepten und Anleitungen (Man nehme …)
  • In Liedtexten (Ihr Kinderlein kommet …)
  • In Gedichten oder älteren Texten (Dein Reich komme, dein Wille geschehe …)
  • In Sprichwörtern (Hätte, hätte, Fahrradkette!)
  • In Höflichkeitsfloskeln (Wir würden uns freuen, wenn …)

Wie dem auch sei, ich wünsche Ihnen gutes Gelingen im Umgang mit dem Konjunktiv!